„Schnibbeln auf dem Altar…“ – Eindrücke vom Erntedank-Genussmoment-Gottesdienst in der Holzmühle

„Schnibbeln auf dem Altar…“ – Eindrücke vom Erntedank-Genussmoment-Gottesdienst in der Holzmühle

„Schnibbeln auf dem Altar…“ – Eindrücke vom Erntedank-Genussmoment-Gottesdienst in der Holzmühle

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„Schnibbeln auf dem Altar…“ – Eindrücke vom Erntedank-Genussmoment-Gottesdienst in der Holzmühle

Dieses Jahr haben wir den Erntedank mal nicht in der Bergkirche gefeiert, sondern in der Gutsschänke der Holzmühle gemeinsam mit Familie Hahn. Ein sehr passender Ort, wie ich finde.  Denn was haben Kirchgebäude mit der Ernte zu tun? Und wofür sind Altäre eigentlich sonst noch gut, als nur doof in der Kirche rumzustehen?

Der gemeinsame Gottesdienst in der Holzmühle brachte hier neue Anregungen und Impulse. Die Leute waren eingeladen, Gaben aus ihrer eigenen Ernte mitzubringen. Während des Gottesdienstes wurde auf dem Altar (siehe Bild oben) fleißig Gemüse geschnibbelt und zu einer Suppe verkocht.

Da wurde der Altar mal eben zur Kücheninsel und der Pfarrer zum Koch… Nun ja, nein, nicht wirklich…Auch wenn ich tatsächlich leidenschaftlich gerne koche. Aber hier habe ich wieder mal nur das getan, was Pfarrer eben so tun. Nämlich doof vor dem Altar rumstehen und die Leute zuquatschen. Um das Schnibbeln und Kochen kümmerten sich dankenswerterweise andere, in diesem Fall mein Vater und ein guter Kumpel - und natürlich die Familie Hahn, die das ganze Event organisierten und hosteten.  

Es war insgesamt ein wunderbares Ambiente für einen Erntedank-Gottesdienst, denn man hatte förmlich das Gefühl, eben nicht in der Kirche, sondern in der Küche Gottesdienst zu feiern. Sehr passend, denn in der Küche finden ja für gewöhnlich auch die besten Partys statt.

Aber nochmal zurück zu der Idee vom Altar als Kücheninsel... Mir war es wichtig, etwas damit zum Ausdruck zu bringen. Häufig stehen solche Altäre ja wirklich einfach nur doof in der Kirche rum und werden immer wieder neu geschmückt, sodass sie möglichst heilig und ästhetisch aussehen. Sonst sind sie aber im Grunde zu nichts zu gebrauchen. Es gibt Kirchengemeinden, da reagiert man regelrecht allergisch darauf, wenn all zu viel in der Nähe des Altars gemacht wird, als nur das, was dem Gottesdienst und dem Heiligen dient. Insbesondere wenn dann auch noch andere Menschen da herumtanzen und herumwerkeln, als  nur die heiligen Priester und Pfarrer, dann wird das nicht gern gesehen. Vom Kochen kann da gar nicht erst die Rede sein. Das würde dann wirklich zu weit führen.

Doch genau das halte ich für absoluten Blödsinn! Ich denke, dass das so nicht im Sinne des Erfinders ist. Ich bin überzeugt: Jesus, der seinerseits Handwerker und Zimmermann war, der würde sagen: Solche Altäre sind dafür da, um schmutzig gemacht zu werden, um sich an ihnen zu versammeln, gemeinsam zu kochen, zu speisen, sich an ihnen zu streiten und zu versöhnen, ja vielleicht sogar um sie herum zu tanzen.

Wenn man einmal in die Bibel schaut, dann wird deutlich: Damals waren solche Altäre immer wieder der Sammelplatz von Gütern und Gaben. Nicht von privaten Gütern, die dann teuer weiter verkauft wurden, sondern von Gütern und Gaben, die dort gesammelt wurden, um sie den schwächeren Gliedern der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. An den Altären wurde gesammelt, um andere Menschen in Not zu unterstützen. Das waren damals vor allem Fremde, also Migrantinnen und Migranten, verwitwete Frauen und Waisenkinder…

Ohne eine Familie waren sie völlig auf sich allein gestellt und konnten sich nur schwer selbst versorgen. Das war damals in der Antike die erste Form von Sozialsystem, von dem wir im Alten Testament lesen.    

Im 5. Buch Mose steht geschrieben:

Folgendes gilt für jedes dritte Jahr:
Leg den zehnten Teil deiner Ernte zur Seite!
Gib ihn den Bedürftigen in deiner Stadt,
den Leviten, Fremden, Waisen und Witwen!
Sie sollen sich satt essen in deinen Toren.

Der Altar ist also biblisch verstanden immer wieder ein Ort gewesen, der heilsame Gemeinschaft stiften soll, wo alle willkommen sind, insbesondere auch diejenigen, die sonst allzuhäufig unter die Räder geraten und existenziell bedroht sind. Er wurde leider im Laufe der weiteren Kirchengeschichte von dieser ganz ursprünglichen Bedeutung und Funktion immer weiter entfremdet. Schade eigentlich!      

Unser Erntedank-Koch-Altar erinnert uns symbolisch verstanden daran, was all unserem Leben und Schaffen das gute und sichere Fundament gibt… Aus welcher Kraft wir arbeiten, kochen und werkeln, pflügen und streuen, aus welcher Kraft wir leben und atmen dürfen…Aus Gottes Kraft!

Erntedank ist für mich auch immer ein Fest, das gegen menschliche Allmachtsphantasien protestiert. Das alte Erntedanklied „Wir pflügen und wir streuen“ hat mich auf die Spur gebracht…

Der Text stammt von dem Dichter Matthias Claudius und er hat dabei ganz ohne Zweifel auch die Lebensrealität zeitgenössischer Bauern vor Augen gehabt. Der Text stammt aus dem späten 18. Jahrhundert.

Dort heißt es:

Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand:

Der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.

Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!

Ich bin selber ganz offenkundig kein Landwirt. Doch ich kann diesen alten Worten viel abgewinnen. Sie erinnern mich daran: Wir sind nicht nur Gebende. Wir sind immer auch Empfangende. Im Trubel des Alltags vergisst man das manchmal:

Wir pflügen und wir streuen auf den Ackern unseres Lebens. Wir setzen unsere Zeit und Kraft ein: in der Schule, in der Familie, in Vereinen oder in Kirchengemeinden, in Freundschaften und im Beruf. Wir geben viel und tun viel dafür, dass unser Leben und das Leben anderer gelingen möge.

Doch ob die Saat aufgeht… das haben wir nicht in der eigenen Hand. Mich entlastet das.

Matthias Claudius und seine Bauern erinnern mit ihrem Lied daran. Es gibt die Aufgaben er Menschen: das Pflügen, das Streuen, das Kochen und Werkeln. Und es gibt die Arbeit Gottes: den Segen.

Ob die Saat auf dem Acker des Lebens aufgeht – das hängt nicht allein von meinen Kräften ab. Da möchte ich auch auf Gottes Kraft vertrauen. Mir gefällt die Vorstellung, wie Gott – heimlich und unsichtbar – Wuchs und Gedeihen auf den Acker meines Lebens träufelt. Und dann sehe und staune ich: Meine Saat ist aufgegangen. Hier ist etwas in meinem Leben gelungen. Hier ist etwas herangewachsen und gereift. Hier ist etwas aufgeblüht. Weil ich daran beteiligt war, freue ich mich und kann stolz sein. Und weil Gott heimlich seinen Segen darauf geträuft hat, kann ich dann aus vollem Herzen sagen: danke, Gott!

Danke, Gott, für diesen besonderen Gottesdienst gemeinsam mit Familie Hahn und allen, die da waren. Die Suppe haben wir uns unmittelbar im Anschluss schmecken lassen. Die Reste wurden eingemacht und werden in Gläsern weiterhin im Eine Welt Laden verkauft.

Pfarrer Lukas Berkenkamp 

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